Süßes Blut – bittere Gefühle

Die Psyche wird bei Diabetes mellitus häufig vergessen

Die meisten Menschen verbinden mit dem Begriff „Diabetes mellitus“ zunächst einmal nur einen zu hohen Blutzucker. Das ist jedoch nur ein Aspekt – steckt doch für die Betroffenen, ihre Angehörigen und Freunde viel mehr hinter dieser Diagnose.

Das Management dieser Stoffwechselstörung ist komplex, und verlangt einen hohen Einsatz auf vielen Ebenen:

Der Blutzucker soll gemessen werden, je nach Diabetes-Typ oder Fortschritt der Erkrankung müssen Medikamente geschluckt oder gespritzt werden, um Blutzucker, Blutdruck und Blutfette in einem bestimmten Bereich zu halten.

Ausreichend Bewegung, gesunde Ernährung und regelmäßige Kontrollbesuche bei unterschiedlichen FachärztInnen sind weitere Vorgaben, die eingehalten werden sollen.

Daneben gibt es aber noch ein Leben, das man führen will – mit Menschen, die man liebt, schönen Dingen, die man erleben möchte und Aufgaben, die man zu erfüllen hat – in welches der Diabetes Tag für Tag integriert werden muss. Das ist an sich schon schwer genug, weil man keinen Tag Urlaub vom Diabetes hat. Und bei allem Bemühen geht der Blutzucker manchmal trotzdem seine eigenen Wege:

„An Tagen, an denen ich den Zucker einfach nicht in den Griff bekomme, habe ich das Gefühl, dass der Diabetes mich kontrolliert und nicht ich den Diabetes – dann geht mein Selbstwertgefühl in den Keller.“

Erschwerend kommen oft noch soziale Aspekte wie Vorurteile, dumme Fragen und unangebrachte Bemerkungen von Menschen, die vom Diabetes wenig wissen hinzu. Ebenso erleben Betroffene häufig Benachteiligungen in Schule, Beruf und anderen Lebensbereichen.

Manche Menschen halten das gut aus, andere wiederum nicht. Wer sich als Mensch mit Diabetes psychisch nicht wohl fühlt, steht damit bei weitem nicht alleine da. Dieser Leidensdruck findet sich bei sehr vielen Menschen, die Diabetes haben.

Häufig mit Diabetes mellitus vergesellschaftete psychische Probleme1,2:

  • Diabetes Distress (negative psychische Reaktionen aufgrund emotionaler Belastungen und Sorgen im Umgang mit der Erkrankung)
  • Depression bzw. depressive Symptome
  • Angststörungen
  • Störungen des Essverhaltens
  • Stigmatisierung: Vorurteile, Herabwürdigung und Diskriminierung

Warum soll man als Mensch mit Diabetes diese seelischen Belastungen nicht einfach übergehen, sondern sich damit auseinandersetzen?

Weil der psychische Leidensdruck nicht nur die Lebensqualität, sondern auch den Therapieerfolg beeinträchtigen und den Krankheitsverlauf bis hin zum häufigeren Auftreten von Komplikationen negativ beeinflussen kann.

Daher wird mittlerweile von führenden Diabetes-Fachgesellschaften3 nicht nur die bestmögliche Einstellung von Blutzucker, Blutfetten, Blutdruck und die Verbesserung des Lebensstils (Ernährung, Bewegung), sondern auch das psychische Wohlbefinden als zentrales Ziel der Diabetesbehandlung angesehen – und zwar entsprechend den persönlichen Bedürfnissen, Zielen und Werten der jeweiligen Person, die mit Diabetes lebt.

Referenzen:

  1. Young-Hyman D, de Groot M, Hill-Briggs et al. Psychosocial Care for People With Diabetes: A Position Statement of the American Diabetes Association. Diabetes Care. 2016; 39:2126-2140.
  2. Liu NF, Brown AS, Folias AE et al. Stigma in People With Type 1 or Type 2 Diabetes. Clin Diabetes. 2017; 35:27-34.
  3. American Diabetes Association. 5. Facilitating Behavior Change and Well-being to Improve Health Outcomes: Standards of Medical Care in Diabetes-2021. Diabetes Care. 2021; 44(Suppl 1):S53-S72.